Die Geschichte der Fermentation Evolution von Mensch und Mikroorganismen

vor 3,4 Millionen Jahren Leckeres aus dem Steinzeitmenü

Auf dem Speiseplan der Steinzeitmenschen konnte "fermentierter Mageninhalt von erlegten Tieren" nachgewiesen werden. Sicher nicht jedermanns Sache, aber allemal gesund.

Dennoch gut, dass die Evolution damit nicht beendet war!

Quelle: „Lexikon der Steinzeit“ von Emil Hoffmann.


7000 v. Chr. Prosit auf chinesisch

Aus dieser Zeit stammt der erste archäologische Beweis der Produktion eines  alkoholischen Getränks in der heutigen Provinz von Jiahu (China). Die Zutaten des frühen Alkopops waren Trauben, Weißdorn, Honig und Reis.

Quelle: Patrick E. McGovern


6000 v. Chr. Alles Käse?

Obwohl in den frühesten städtischen Kulturen Westkleinasiens  mit der Viehzucht  angeblich die Kunst der Käseherstellung schon bekannt war, sind die ersten Utensilien zur Milchverarbeitung für Mitteleuropa (heutiges Polen) belegt.

Quelle: Nature


3000 v. Chr. Meister der Fermentierung

Die antiken Ägypter waren schon Meister in Produktion und Konsum fermentierter Lebensmittel: Brot, Bier, Yoghurt, Käse, Wein und Essig  waren die Hauptnahrungsquelle dieser Hochkultur. Die Erfindung des Supermarkts war nur noch eine Frage der Zeit!

Quelle: Journal of Food Protection


Antike Der Fisch schmeckt vom Kopf her

Alle Völker entwickelten Fermentierungsprozesse als sichere Konservierungsmethode oder, wie die Griechen und die Römern, zum Zweck der Gaumenfreude.  „Garum“ ist eine fermentierte Fischsauce, welche von Plinius dem Älteren beschrieben und durch Apicius (in „de re Coquinaria“) bekannt wurde.

Quelle:Plinius Secundus Maior, „Naturae historiarum libri triginta septem“, Buch XXXI.

Mehr als nur Nahrung!

1150 Gut für Körper und Seele

Die mittelalterliche Äbtissin und  Botanikern Hildegard von Bingen verwendete Kräuter in fermentierten Getränken (Bier, Wein und Essig) als Medikamente. Sie riet, wenn möglich, auf den Genuss von Wasser zu verzichten „weil die Gewässer ... nicht gesund sind“. Eine Steilvorlage für Stammtischbrüder!

Quelle: „Ursprung und Behandlung von Krankheiten: Causae et Curae“ (Hildegard von Bingen-Werke) von Eibingen Benediktinerinnen St. Hildegard.


1650 Ketchup - echt gesund

Die Sauce, die heute als ungesundes Fast-food-Produkt verkauft wird, war einst eine Flüssigkeit aus fermentiertem Fisch – eine gewürzte Fischtunke – welche in England als exotische und gesunde Delikatesse galt, und zwar ohne Tomaten und Zucker.

Quelle: Tom Jaine, Fish Food from the Waters: Oxford Symposium on Food and Cookery 2004 Paperback – August 28, 1998


1665 Kein Traum, sondern Realität

Mit selbstgebauten Mikroskopen untersuchten und identifizierten A. van Leeuwenhoek und R. Hooke eine Reihe von Microorganismen. Sie konnten also die Existenz von Mikrotieren („Animalcula“), welche schon 30 BC von Varro in der „De re rustica“ vermutet worden war, wissenschaftlich belegen.

Quelle: Gest H., The discovery of microorganisms by Robert Hooke and Antoni Van Leeuwenhoek, fellows of the Royal Society, Notes Rec R Soc Lond. 2004 May;58(2):187-201.


1750 Kraut über Bord

Der Seefahrer James Cook hatte auf seinen Entdeckungsreisen immer fässerweise Sauerkraut geladen, weil das länger hielt als frisches Gemüse und seine Seeleute vor der Vitaminmangelkrankheit Skorbut schützte. Ein früher Fall von Zwangsernährung, denn die Seeleute sollen der Meuterei nahe gewesen sein.

Quelle: Captain Cook Society

Das industrielle Zeitalter: Fortschritt oder Rückschritt?

ab 1800 Menschen und Nahrung am Fließband

Die industrielle Revolution in Europa ließ Menschenmassen vom Land in die Städte migrieren. Folge war der Wechsel von lokaler Kleinproduktion zur großindustriellen, zentralisierten Lebensmittelherstellung. Einzelne produktionseffiziente fermentierte Lebensmittel (z.B., Brot, Alkohol und Käse) setzen sich durch. Die Konservenproduktion wurde entwickelt und kurz daruf das Dosenpfand.

Quelle: S. Featherstone, A Complete Course in Canning and Related Processes: Volume 1 Fundemental Information on Canning (Woodhead Publishing Series in Food Science, Technology and Nutrition) 14.


1850 Hitzefrei für Mikroorganismen

Louis Pasteur bewies als erster, dass Gärungsprozesse von Mikroorganismen gesteuert werden und fand heraus, dass durch Erhitzen (Pasteurisierung) die meisten davon absterben. Der Mensch erklärt in der Folge allen Mikroorganismen (guten und schlechten) den Krieg - mit fatalen Folgen für beide Kriegsparteien.

Quelle: L. Robbins, Louis Pasteur and the Hidden World of Microbes (Oxford Portraits in Science) 29. November 2001.


1876 Cool bleiben

Der deutsche Ingenieur Carl von Linde entwickelte ein Verfahren, welche die Kältemaschine (Kühlschrank) industrietauglich machte. Die von Ihm benutzten Substanzen waren aber ätzend, so dass Kühlschränke erst in den 20er Jahren, durch die Entwicklung von Ersatzchemikalien, für den Hausgebrauch geeignet wurden.

Quelle: Planet Schule


1907 Wieder Freunde

Das Buch „Prolongation of Life“, geschrieben von Elias Metchnikoff, dem Begründer der modernen Immunologie, beschreibt die therapeutischen Wirkungen von milchsäureproduzierenden Bakterien in saurer Milch, Yogurth und Kefir. Für eine wirksame Rehabilitation der Bakterien war es jedoch zu spät, denn die medizinische Wissenschaft sollte sich zusehends in eine andere Richtung entwickeln...

Quelle: E. Metchnikoff,‎ P. Chalmers Mitchell Sir, The Prolongation of Life: Optimistic Studies - Scholar's Choice Edition (Englisch) Taschenbuch – 8. Februar 2015.


1940 Schach matt

Die Entdeckung des Penicillins (und seiner antibakteriellen Eigenschaften) öffnete die Tür zur modernen Biotechnologie. Antibiotika werden ab jetzt in Unmenge produziert und eingenommen - wer braucht da noch gesundes Essen?!

Quelle: Penicillin, Wikipedia, the free encyclopedia


1970 Einfalt statt Vielfalt

Durch die industrielle Einführung von Starterkulturen können Lebensmittelbetriebe der Kundschaft den immer gleichen Geschmack ihrer Käse, Biere und Weine garantieren – die Standardisierung des Geschmacks ist gelungen.

Gleichzeitig entsteht ein Chemiemonopol für die Herstellung der Starterkulturen. Der Konsument wird davon überzeugt, die traditionelle häusliche Fermentation zugunsten der „sicheren“ Fertigprodukte aufzugeben.

Quelle: Prajapati, J. B, & Nair, B. M. (2003). History of fermented foods. In E. R. Farnworth (Ed.), Handbook of Fermented Functional Foods (Functional Foods and Nutraceuticals ; 5) CRC Press.


Seit 1990 Wissenschaft für engen Kreis

Wissenschaftler beschäftigen sich intensiv mit der Entschlüsselung des Erbguts von verschiedenen Mikroorganismen aus traditionnell fermentierten Lebensmitteln. Naturgemäß dienen die Recherchen der Lebensmittelindustrie allerdings vornehmlich kommerziellen Zwecken und weniger dem Erhalt und der Entwicklung des kulinarisch-kulturellen Erbes. Ziel ist die Vermarktung selektierter und patentierter Stämme von Mikroorganismen als „Gesundmacher“. Dass diese, isoliert von ihrem natürlichen „Microjungle“, kaum Wirkung entfalten können, wird verschwiegen.

21. Jahrhundert: Das große Comeback

2001 Kampf um das Superfood

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Mikrobiologie fermentierter Lebensmittel hatte zur Folge, dass kontinuierlich neue Organismen isoliert, patentiert und vermarktet werden und wurden. Um dem Missbrauch entgegen zu wirken, haben Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) eine Definition von Probiotika erstellt.

Quelle: http://www.fao.org/3/a-a0512e.pdf


2007 Endlich: Weg frei für die Mikroorganismen!

Nach Ansicht des wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) ist für zahlreiche Spezies aus den Gruppen Milchsäurebakterien und Hefen die grundlegende Kenntnis des Mikroorganismus ausreichend, um die „qualifizierte Sicherheitsannahme (Qualified Presumption of Safety – QPS)“ zu erfüllen. Damit ist offiziell: die Verwendung von Mikroorganismen zur Lebensmittelherstellung ist sicher!

Quelle: https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/qualified-presumption-safety-qps